Weniger Agentur, mehr Idee
- Markus Hermsen-Huyke

- 24. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Darum ersticken Agenturen Kreativität durch ihr business-modell
Agentur. Viele Branchen haben sich dieses Organisationsmodell zu eigen gemacht. Es gibt Versicherungsagenturen, Mietwagenagenturen, Immobilienagenturen oder die Bundesagentur für Arbeit. Allen gemeinsam ist, dass sie etwas vermitteln: Versicherungsverträge, Autos, Häuser oder Jobs. Aber sie erschaffen nichts, sie makeln eben nur bestehende Ressourcen mit potenziellen Interessenten.

Auch ein Blick auf die Definition des Wortes Agentur laut Duden zeigt ebenfalls: Agenturen sind vermittelnde Instanzen und keine schöpferischen. Sie organisieren, koordinieren und reichen weiter. Das etwas angestaubte Bild der verlängerten Werkbank passt hier zu gut, um es nicht zu verwenden.
Wie kommt es aber, dass das per se völlig unkreative Agentur-Modell sich so fest in der Kommunikationswelt verankert hat? PR-Agenturen, Werbeagenturen, Marketingagenturen – der Markt ist voll davon. Manche nennen sich sogar Kreativ-Agentur. Allein letzteres ist schon eine Art Widerspruch in sich.
Abläufe oft wichtiger als inhalte
Denn Kreativität lebt nicht vom Vermitteln, sie lebt nicht von starren Vorgaben zur Abrechenbarkeit von Beraterinnen und Beratern. Und sie lebt auch nicht von zig Awards, die in Vitrinen verstauben.
Sie ist dort zuhause, wo Kommunikation strategisch wird, wo Perspektiven kippen, wo Geschichten entstehen, die Menschen erreichen. Kreativität lebt davon, Dinge neu zu denken. Und so steht das klassische Geschäftsmodell einer Agentur heute vielen im Weg, die eigentlich kreative Beratung und kritisches Sparring in strategischen und taktischen Kommunikationsaufgaben suchen.
Agenturtypische Strukturen macht kreative Prozesse träge. Größere Agenturen pressen die Zusammenarbeit mit Kunden in einen organisatorischen Rahmen, in dem Abläufe wichtiger erscheinen als Inhalte. Starre Retainer und wenig flexible interne Mechaniken führen dazu, dass viele Ressourcen in Administration statt in Projekte fließen. In hochdynamischen Zeiten ist das ein Nachteil. Kundinnen und Kunden brauchen heute ein Modell, das sich thematisch und situativ anpasst und nicht festgefahren ist.
Beratung braucht Offenheit, Tiefe und den Raum, Dinge neu zu denken. Natürlich braucht es dazu auch die Bereitschaft der Mitarbeitenden in einer Beratung. Die ist in den meisten Fällen da, aber sie kann sich im prozessualen und strukturellen Korsett nicht entfalten. Das engt die strategische und kreative Arbeit unnötig ein.
Umsetzer statt Impulsgeber
So kommt es, dass Agenturen oft nur umsetzen, was bereits entschieden wurde. Doch wenn kreative Beratung ihr volles Potenzial für den wirtschaftlichen Erfolg entfalten soll, dann muss sie vor der Entscheidung einbezogen werden. Sie muss die richtigen, manchmal auch unbequemen Fragen stellen und so die gemachten Vorgaben mindestens infrage stellen.
Darauf sind die Business Pläne von Agenturen aber meistens nicht ausgelegt. Denn die beruhen auf der operativen Auslastung von Mitarbeitenden auf dem mittleren bis juniorigen Level. Da muss also Volumen ran, um diese Menschen auszulasten. Außerdem fließt ein spürbarer Anteil der Kundenbudgets in interne Strukturen, die für das eigentliche Projekt wenig Mehrwert schaffen. Das erzeugt Distanz zwischen Lösung und Ressource und am Ende des Tages Frust auf allen Seiten.
Ich wurde vor Jahren einmal von meinem Team gefragt, wo ich denn unsere Agentur in fünf Jahren sehen würde. Meine Antwort hat den meisten nicht gefallen. Denn sie lautete: "Wir machen das Doppelte an Profit mit der Hälfte der Leute."
Hätte ich nicht schon selbst einen anderen Ansatz für mein Kommunikations-Studio gewählt und würde immer noch Agentur-Teams führen, würde ich diesen Satz heute genau so wieder sagen - in fett und unterstrichen. Und ds hat nur ganz am Rande mit dem Effekt von Künstlicher Intelligenz zu tun.
Es liegt vor allem daran, dass Vermitteln von Informationen und Umsetzen von Vorgaben nicht das ist, was Marken und Persönlichkeiten heute brauchen, um wirklich relevant zu werden und zu bleiben. Lassen sich mit dem Hin- und Herschieben von Inhalten Menschen wirklich inspirieren und begeistern?
Wohl kaum!


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